Vertrieben aus Hinterpommern.
II. Die Briefe aus Eberhardsdorf, Franzen, Gröbitz
05
Ein Brief aus Eberhardsdorf.
( wahrscheinlich Dezember 1944 aus Jarischau /Eberhardsdorf:)
Liebe Hildegard, wie geht es Dir mit Deiner Gesundheit? Annemarie ist auch immer kränklich, sie kam nicht auf die
Beine. Ích als alte Oma bin noch die gesundeste, wiege nur 97 Pfund. aber kann gut essen. Wo werden Horst und Günther
das Weihnachtsfest verleben, ich denke die sind schon tot. Ich sprach heute mit einer Frau, der ihr Sohn war da, wo
Günter war. Die hat auch keine Nachricht von ihm. Heute gehen wir zu Herta zu Kaffee und zum Weihnachtsbaum
anstecken. Wir machen keinen. Dann gehen wir alle zur Kirche, hier ist große Weihnachtsfeier. Dann darf man sich doch
nicht mit Sorgen quälen.
Unser Pfarrer ist tot, aber die Frau Pfarrer ist sehr tüchtig, die unterrichtet die Kinder, spielt Orgel, übt mit den Frauen
singen u.s.w. Wir wünschen Euch und den Kindern ein gesundes, glückliches neues Jahr und grüßen Euch alle recht
herzlich. Eure Eltern.
Herta und Benno senden auch viele Grüße.
Die folgenden Briefe habe ich nach freundlicher Anfrage von Ingeborg aus Tante Annemaries Wohnungsauflösung
bekommen:
Mühlhausen-Briefe.
( Im Besitz von Ingeborg Arndt, geb. Schulz, Tochter von Werner Schulz.)
06
(Otto Schulz)
Dienstag, den 20. Feb.4(5)
bekam ich noch in Da(n)z(ig).
Liebe Annemarie! Am Sonntag den 18. kam Post von Dir u. Christa. Wir freuten uns sehr Dich sowie Kinder in Danzig zu
wissen u. hofften, gestern u. heute auf Euren Besuch. Ob Du nun mit Lothar telephoniert hast oder gar auf dem Wege zu
ihm bist? Nur gut, dass man die Flüchtlinge hat u. O. Artur, die verzagen nicht. Seit gestern dröhnt es immer fort aus
Richtung Czersk ( poln./ Marienwalde.)Von Sonnabend an kommt u. geht das Militär, suchen Einquartierung u. Futter.
Heute Nacht wurde vom Staken Heu gestohlen, gestern haben wir für 18 Mann zum Kaffee Waffeln gebacken. Als alles
abgeräumt wurde, kam T. Emmi, O. Alfred u. Walter. Lange blieben sie ja nicht, da O. Walter im Dorfe zu tun hatte. Seine
zukünftigen Schwiegereltern mit der Tochter sind auch bei ihm. Von der Partei sind wir gestern in Kenntnis gesetzt, zu
packen. Auf weiteren Befehl abzuwarten. Doch wir wollen so lange bleiben, wies geht. Mann kann ja nur einmal sterben.
Frau Kirschken ist sehr schwach. Die Mädels auch noch nicht auf Deck. Am Freitag kam noch ihr Bruder an. Von Tante
Anna erhielten Buck.(?) Nachricht von Unterwegs. O. Willi kam mit einem kl. Kofferchen an. Da keine Bahn ging u. er
meistens zu Fuß musste, warf er alles andere fort. Er ist in Berent bei Artur Fierke. Der ist wieder hier. Von Frau Krebs
erhielt ich heute Post, die nur 3 Tage unterwegs war. Die wollen auch zu Hause bleiben. Anbei der Brief von Werner, der
auch am Sonntag ankam. Auch Ursel Brand schrieb mir eine Karte. Was machen die Kinder, sind sie gesund u. froh? Ob
Euch der Brief in Dzg erreicht? Weiterhin alles alles Gute. Es grüßt Euch herzlich Papa u. Mutti.
Von Martin ist immer noch nicht Nachricht gekommen. Es war gestern stärkerer Wind, der auch die größere Windmühle
in gang gebracht hat. auf wiedersehen!
07
(Selma Schulz)
Franzen Schlawe Pommern d.
den 27.6.46.
Liebe Irmgard u. Kinder!
Lange ist es her, wo wir von einander kein Lebenszeichen erhalten haben. Oft u. viel haben wir schweren Herzen an all
unsere Lieben gedacht und manch Gebet für euch gebetet. Es war für uns alle ein Festtag, als wir anfangs Mai einen Brief
von Erich erhielten, derselbe war 6 Wochen gegangen. Wir hatten schon durch Flüchtlinge, die nach Berlin reisten,
mehrere Briefe mitgeschickt, bekamen aber keine Antwort. Ich schrieb an Tante Gunhilde, der Brief kam zurück, mit dem
Vermerk, Haus abgebrannt, an deine Eltern schrieb ich auch, aber der Brief kam nicht zurück. Bist Du damals von uns
gleich nach Thüringen gereist? Wie tatest du uns damals leid, als du bei der Kälte mit den armen Würmern ins
Ungewisse fuhrst. Du Ärmste hast viel Leid durchgemacht. Wir fuhren auch am 24.2.45 mit 3 Fuhrwerke los, jetzt
besitzen wir kein Pferd auch Wagen nicht. Jetzt sollen wir auch noch von hier fort, dann bleiben noch unsere guten Betten
und was man noch besitzt hier, denn wenn man nur 80 Pfund mit nehmen kann, das hilft leider wenig. Es ist zum Heulen,
wozu haben wir gesorgt u. gearbeitet. Wir wohnen seit Anfang März in diesem Ort, Benno wurde von hier verschleppt,
der Ärmste. – Wir wohnen auf einer Oberstube, Herta wohnt allein, dieselbe muß zur Feldarbeit gehen. Es ist ein trauriges
Leben. Unser Rauchfleisch ist aufgezehrt u. jetzt essen wir Fleisch u. Fettlos. Brot, Kartoffeln u. Milch bekommen wir bis
jetzt noch. Vater war im Winter lange Zeit Blasenkrank u. hat viel zu Bett gelegen, ich musste für alles sorgen u. noch
Wolle spinnen, um etwas Lebensmittel zu erhalten. Hildegard lebt auch noch. wir sind beide sehr elend geworden.
Hast Du ein Lebenszeichen von Horst u. Günter erhalten? Jetzt sind es bald 2 Jahre her, dass Günter sich nicht gemeldet
hat. Wo sind die guten u. frohen Tage , wo wir alle zusammen in der Heimat verlebt haben. – Jetzt heimatlos. – Wenn der
Brief Dich erreicht, so sei so gut und schicke ihn an Werner und Annemarie weiter. An Erich hat Herta geschrieben,
hoffentlich bekommt er den Brief. Erich schreibt, er hat mehrere Briefe an Herta geschickt aber es sind viele nicht
angekommen.
Hier regnet es alle Tage und es ist ein kalter Sommer. Viele herzliche Grüße und Küsse an Dich und deine lieben Jungens
von
euren alten Eltern.
08
(Herta Schulz)
Franzen d. 4.7.46.
Eingegangen 4.8.
Antwortkarte am 4.8.46.geschrieben.
2. Karte 5.8. Antwort 24.8..
Ihr Lieben.
Gestern erhielt ich eine Karte von Werner u. einen Brief von Lischke, wie wir uns gefreut haben, könnt Ihr Euch gar
nicht denken. Ihr schreib, dass Wanda Fahl lebt u. in Michaelsdorf ist. Das war ja auch eine große Freude für mich.
Wann werden wir bloß wieder mal alle zusammen sein! Wann werde ich Benno wieder sehen? Manchmal bin ich ganz
verzweifelt, aber was hilft es, wir müssen eben durch. Nun heißt es hier alle alten arbeitsunfähigen Menschen, Frauen mit
vielen Kindern müssen raus über die Oder. Die arbeitsfähigen Personen müssen bleiben. Wir, die wir arbeiten haben einen
weißen Schein bekommen. die anderen, die raus sollen, keinen. Oma u. Opa sind auch darunter. Ebenso Frau Krause hat
keinen Schein , ich weiß nicht, wie es jetzt werden soll. Vielleicht seht Ihr Eure Eltern bald wieder, denn sie wollen Eure
Adresse im Lager angeben, um gleich rüber zu kommen. Es heißt hier, wer einen Aufenthaltsort in Deutschland
nachweisen kann, bleibt nicht lange im Lager. Hoffentlich klappt alles u. wir sehen uns bald wieder. Partikels sind ganz
plötzlich nach Lübeck abgefahren, es war wohl ein bischen gewagt, aber man muss eben alles auf eine Karte setzen. -
Unser Arbeitsfeld ist hier reichhaltig. Vergangene Woche mussten wir Frauen eine große Wiese 2 mal das Heu zusammen
legen u. auseinander werfen, bis zu den Knöcheln im Wasser, oben heiß, die Füße kalt, ich kann Euch sagen. Vergangenen
Sonntag habe ich an der Heuluke 17 Fuhren Heu hoch gestaakt, ich kann Euch flüstern, man hat noch Murr (Mumm) in
sich trotz Kartoffel u. Buttermilch od. Magermilch. Kartoffeln haben wir hier reichlich, aber sonst --- , nn , egal, es muß
wieder besser werden. Gestern haben Frau Krause u. ich den ganzen Tag Holz gesägt u. zerkleinert für die
Kommandanturküche, wir haben viel an Benno denken müssen, da Werner ja schreibt, Benno arbeitet als Holzarbeiter.
Krause ist in Berlin , hat geschrieben, wir sollten nachkommen. d.h. Frau Krause und ich, wir hatten, als er im Januar
abfuhr ja noch keine Nachricht von Euch. Frau Krause hat auch keinen Schein, bloß ich tüchtige Arbeitskraft. – Es heißt,
wir dürfen 80 (Pfund ) Gepäck, keinen Schmuck, keine Lederwaren mitnehmen. Es gibt jeden Tag neue Gerüchte, sodaß
man manchmal ganz schusselig ist. Was ein Mensch aber so alles er u. vertragen kann, hätte ich früher gar nicht geglaubt.
Es geht eben alles. Frau Szankowski hat hier in Franzen ein kleines Mädchen bekommen, ich war Hebamme, ich kann
Euch sagen, ging alles wunderbar. Udo ist ganz verwahrlost, wir haben hier ja auch eine Lehrerin, aber weiter wie bis
zum f. kommen die Kinder nicht. Oma u. Opa wohnen zwei Häuser weiter. Beide sind nicht zusammen geklappt, nun alles
so ohne Fett, hin u. wieder gibt’s mal was von den Besitzern, aber die haben auch nicht mehr viel. – Hilla ist nun wenn wir
an den Transport denken unsere größte Sorge. aber na , es muss alles gehen. Ich halt mich auch immer ganz gut, in mir
schlummerten eben so ungeahnte Kräfte. Vom Selbstarbeiten in einer Bauerei hab ich aber die Nase voll. Im
vergangenen Jahr in der Gemeinschaftsküche war es verdammt schwer, 3 Frauen für 180 Mann kochen. das essen wurde
auf das Feld gefahren darunter waren 45 Soldaten, da ging es manchmal hoch her. Ich hab mich gewundert, dass ich es
geschafft habe. Die Arbeit im Garten war auch zu ertragen, war auch ziemlich schwer manchmal, wenn alles Wasser
geschleppt werden musste, u. Jauche für unsere große Tabakplantage - , es ging im Gegensatz zur Feldarbeit, aber noch
ganz gut, aber jetzt - Nun sagt mir bloß, wann wir rüber kommen. nur soll ich dort anfangen, als Dienstmädchen mit Kind
beim Bauer? Na , ich hab die Nase voll von dem Kleinkram. – Am liebsten würde ich ja in ein Krankenhaus od. Hotel
od. sonst wo hin. nur nicht auf das Land, das schreibt nun eine Bauersfrau, aber ich hoffe, Ihr versteht mich wie ich es
meine. – Unser Dolmetscher gab mir nämlich den guten Trost, als ich ihm erzählte, mein Mann ist in S. , na sagt er, da
warten Sie mal 10 Jahre, ehe Sie ihn wieder sehen. Das hat aber meine große Freude gedämpft. Ich kann Euch sagen,
nun fragt man sich bloß immer, was fängst Du an. Für Oma u. Opa würde es dann wohl besser werden, ich bemühe mich
redlich hier, damit sie satt wurden, wir teilen u. helfen uns hier so gut es geht. Den Winter über lag Opa viel zu Bett mit
seinem Blasenleiden, aber Oma hält sich ganz gut, sie versteht es auch son bischen zu schnurren.
Bitte gebt denn auch Werner Bescheid u. wir lassen herzlich für die Karte danken u. freuen uns wirklich , dass ihr alle
gesund u. am Leben seit. Wenn ihr an Irmgard schreibt, bitte sie auch recht herzlich zu grüßen, ich kann leider nicht an
alle einzeln schreiben, ich hab kein Geld. Ich habe damals, als Irmgard zu mir kam, sie so bedauert, dass sie nichts zum
anziehen hat, jetzt geht es mir genau so. Ich habe im vergangenen Monat 21 Zloty verdient 6 Zl. kostet ein Brief. Ein
(Pfund ) Salz 14 Zl., also kann ich keine großen Sprünge machen. Deutsches Geld besitze ich 800 RM, aber sollte ich
über die Oder kommen, so trinke ich dort zuerst eine Tasse „ Echt“. ( Eine Bekannte hat nämlich geschrieben, es gibt
dort wie im Frieden ein Tässchen „Echt“. ) Nun aber Schluß. Von Oma u. Opa recht herzliche Grüße an Euch alle u. allen
Enkelkindern, Euch alles Gute u. viele herzliche Grüße Euch allen Udo u. Herta.
09
(Selma Schulz an die Mühlhäuser)
Franzen d. 18.7.1946. Kr. Schlawe Post Tred. (Treten?)
eing. 7.VIII.
Ihr Lieben !
Werners Brief vom 14.4. haben 12.7. erhalten, die Karte 14 Tage früher. Wir haben uns sehr gefreut, ein Lebenszeichen
von Euch zu erhalten, was haben wir uns für Sorgen gemacht, ob ihr lebt und wo ihr steckt. Ich habe zwar Briefe durch
Reisende nach Berlin an Frau Brandt mitgegeben, aber keine Antwort erhalten. . Den Brief vom 12.1. nahm Krause mit,
der ist dann auch in eure Hände gekommen. Von Erich erhielten wir bis jetzt 2 Karten u. 1 Brief. Frl. Lischke hat an die
Herta geschrieben und ihr die Adr. von Fr. Ischl mitgeteilt. Nur von Familie Löschmann u. Tante Gunhilde haben wir
keine Anschrift erhalten. Ich schrieb an Tante G. und der Brief kam zurück mit dem Vermerk, das Haus abgebrannt. Wenn
Tante u. Edith man nicht unter den Trümmern schlafen. Die Palubiner waren hier auch in der Nähe, 18 km von uns ab.
Liesbeth war 2 mal bei Herta. Die mussten auf die alten Tage auch noch so leben. Erich war bei den Russen als
Treckerführer. Partikels waren auch auf einem Gut in unserer Nähe. Partikel war vergangenen Sommer lange Zeit sehr
krank. Sie kam öfter herüber, aber jetzt sind sie vor paar Wochen losgereist über die Oder. Die Palubiner auch. Für uns ist
es nicht so einfach, loszuziehen. Hier ist kein Fuhrwerk und kein Auto zu bekommen und Hildegard und Vater können
nicht wandern. Eine Zeit hieß es, die Alten und Frauen mit viel Kindern sollen von hier raus gebracht werden. Wir haben
schon Rucksäcke genäht. Aber jetzt ist alles still. Lebensmittelzuteilung gibt es nur für die wo Arbeiter (sind); etwas Mehl
und Fleisch von kranken Kühen. Herta muß auch arbeiten. Herta sorgt so wie sie kann für uns, ich habe immer Wolle
gesponnen und Pantoffel gemacht und habe damit auch was verdient. Bis zum Sommer hatten wir etwas Rauchfleisch,
aber jetzt ist es alle, jetzt leben wir fleisch- u. fettlos. Hildegard u. ich sind sehr elend geworden, aber Vater ist dadurch
wohl sein Blasenleiden los geworden. Er kann tüchtig essen. Er trägt jetzt einen Spitzbart, denn das Rasiermesser, Uhr, die
goldene Kette und zwei Anzüge haben sie ihm genommen. Ich besitze auch keine Schmucksachen, aber man braucht ja
auch nichts. Wozu hat man so gearbeitet und gespart, jetzt muß man wie ein Bettler leben. Hier ist alles sehr teuer. 1 kl.
Butter kostet 400 Zl. 1kl. Zucker 210 Zl. 1 Ei 7 Zl. Im ganzen Monat verdienen manche 7 Zl. manche auch 150 Zl.
Arbeiten muß alles, nur wer über 70 Jahre ist nicht. Die Besitzer haben nur jeder eine Kuh und paar Hühner, davon
müssen sie noch täglich 1l Milch abliefern u. von den Hühnern noch vier abgeben, Schweine darf keiner halten. Milch u.
Buttermilch haben wir bis jetzt noch bekommen. Ich habe mir auch Zwiebeln und Mohrrüben gesät u. es ist gut
gewachsen. Wohnen tun wir oben, kochen müssen wir unten mit der Hauseigentümerin zusammen. An Eure Eltern habe
ich auch nach Paleschken geschrieben, aber der Brief war in Kischau gestempelt und kam zurück, wann es war, weiß ich
nicht. Ach wie gern würden wir Euch noch alle einmal sehen, aber das werden wir wohl nicht mehr erleben. Die Kinder
müssen doch schon groß sein. Die armen 3 Jungens Benno, Horst u. Günter, wären die am Leben, was müssten die leiden.
Wir wünschen Euch von Herzen alles Gute hauptsächlich Werner zu seinem Geburtstag.
Viele herzliche Grüße von Eurer Mutter.
10
(Herta Schulz)
Franzen d. 23.7.46.
Antwort 24.8.
Ihr Lieben!
Vielen Dank für Erich`s Brief vom 31.3.. Für uns ist es eine große Freude, wenn wir von Euch hören. Ich habe ja so viel
Briefe an Euch geschrieben nach Stadthagen u. jetzt nach Eckernförde ist es schon der 4. Brief. Als ich hier erzählte, dass
Benno in Smolensk ist, kamen alle Frauen, deren Männer mit Benno fort kamen, hergelaufen um zu fragen ob Du von
Herrn Conrad nicht erfahren kannst, ob ein Bäckermeister Vick ein Mühlenbesitzer Ernst wie ein Windmühlenbesitzer
Wolf mit Benno zusammen sind. Kannst Du das in Erfahrung bringen? Ich habe diese Fragen schon in jedem Brief an
dich gestellt. Vielleicht kannst du durch Herrn Conrad etwas erfahren? Denn dies Männer sind alle mit Benno in Graudenz
zusammen gewesen. Sie sind von einem Garbe der auch mit Benno zusammen war zuletzt in Gr. gesehen worden Garbe
wurde entlassen u. starb kurze Zeit wie er zu Hause war. Ich konnte wenig von ihm erfahren. Nur dass Benno sehr
besorgt um uns hier sei, nur ich nehme an er wollte nichts erzählen. Nun lieber Erich schreib mir doch bischen
ausführlicher was du von Herrn Conrad gehört hast, ich möchte das so gern wissen wie es Benno geht u ergangen ist.
Heute ist nun sein Geburtstag, wie mir zu Mute ist werdet ihr Euch denken können. Werd ich Benno überhaupt noch mal
wieder sehen? Das Leben ist doch so schwer. – Udo verwahrlost auch ganz. Schule ist kaum mehr, es waren ja auch nur 6
Wochen Schule, dann wurde alles verboten. Ich den ganzen Tag fort, er treibt sich rum.
Augenblicklich bin ich mit Marta Krause ( Heinz Krause ist seit Jan. in Berlin ) im Holzstall beschäftigt. Wir müssen Holz
sägen u. zerkleinern für die Kommandantur. Die schweren Balken und Klötze heben u. hacken ist auch nicht so einfach.
Gestern ging die Ernte los u. wir werden ja wohl auch wieder auf´ s Feld müssen u´. das ist nicht einfach. Unsere
Arbeitszeit ist jetzt von 7 –10 Uhr. Moskauer Zeit mit 1 ½ St. Mittagspause.
Oma und Opa sind recht zusammen geklappt, glaubt mir, ich organisiere u. mache schon was ich kann aber wir sind unser
5 Pers. u. ich allein bekomme nur Zuteilung. 15-18 (Pfund) Mehl im Monat, 2 (Pfund) Rindfleisch u. 900 gr. Salz.
Kartoffeln so viel wie wir essen wollen. Bis jetzt hatten die Pommerer ja auch immer etwas, aber das fällt auch fort. Die
können uns auch nicht mehr so viel geben. Arbeitskräfte dürfen z. Zt. nicht raus aus der Kolchose, was noch alles werden
soll, weiß ich nicht. Es heißt alte Leute, kranke Frauen mit vielen Kindern müssen raus über die Oder. Wir Arbeitskräfte
müssen bleiben. Es kommen täglich soviel neue Parolen u. Gerüchte, dass man manchmal aus der Angst nicht raus
kommt. Mein Bruder Helmut ist in S ..... vielleicht auch mal eine Rettung für mich. Er schrieb ganz kurz mal an mich.
Bei der Übernahme, wie der Russe kam, ist es uns ziemlich dreckig ergangen, wir haben so ziemlich alles verloren an
Sachen u. Schuhen . Ich zog in Franzen auf Strümpfen ein, ich barfuß, nichts auf den Füßen, na darüber lieber mündlich.
Hoffentlich kommt mal die Zeit, dass wir wieder zusammen am Kaffeetisch sitzen können. Oma hat an Werner
geschrieben. Nun laßt bitte recht bald von Euch hören. Es ist die einzige Freude, von Euch einen Brief zu bekommen. Wir
haben jetzt Post Treetz hier, dann klappt es schneller, der Postbote kommt Mittwoch und Sonnabends. Seid Ihr Lieben alle
recht recht herzlich gegrüßt von Oma Opa Udo u. Herta.
11
(Selma Schulz)
Franzen den 2.8.46.
Antwort 24.8.
Ihr Lieben!
Nach langer Zeit will ich doch wiedereinmal an Euch schreiben, hoffentlich kommt der Brief dort an. Erichs Brief vom
23.6. haben wir erhalten und daraus ersehen, dass Erich dort was anfangen will, hoffentlich glückt es. Von den
Paleschkern erhielt Herta eine Karte, die Ärmsten müssen jetzt auf ihrem Grundstück als Arbeiter arbeiten. Vor langer Zeit
schrieb ich einen Brief dahin, derselbe war in Kischau gestempelt und kam zurück, als unzustellbar. Heinz Harthun seine
Frau soll tot sein. Helmut ist jetzt dort auf der Mühle. Wo sind die Brunoswalder Samraus, alte und junge Löschmänner.
Wie oft und mit welcher Sehnsucht denken wir an all unsere Lieben. Wo ist die schöne Zeit geblieben wo wir so vergnügt
zum Rundbergen gingen mit allerhand Pläne für die Zukunft. Jetzt wohnen wir schon 1 Jahr 4 Monate hier und keine
Aussicht auf bessere Zeiten, es hieß eine Zeit, wir Alten u. Frauen mit Kindern sollten über die Oder gebracht werden,
aber jetzt ist alles still.
Vater schrieb im Winter nach Bütow, er bekam auch Antwort zurück, Hildegards Mann war auch verschleppt, ist
gestorben, sie ist von der Wirtschaft ohne alles runter, hat 4 kleine Kinder und muß arbeiten. Es ist doch ein trauriges Los,
das uns alle getroffen hat, könnten wir nicht in der Heimat auf dem Friedhof liegen. Wo sind Hildegards Eltern, leben sie
noch u. die Kinder von Blockus?. Vater hat an der Wade ein Geschwür und liegt seit heute zu Bett. Die Krankenschwester
war heute hier und hat es verbunden, sie sagt es wird bald besser werden. Gott sei Dank bin ich bis dahin noch gut
gesund, nur sehr elend u. alt bin ich geworden, aber das macht der Gram und das magere Essen. Fleisch u. Fett ist Luxus.
Der Roggen steht hier in Stiegen, aber seit Donnerstag regnet es alle Tage, er wird bald auswachsen. Kartoffeln u.
Gemüse steht hier tadellos. Ich habe mir auch 2 Beete Gemüse gesät, es steht auch sehr gut, es fehlt mir das Nötigste
dazu. Äpfel gibt es hier viel. Wie mag es unseren armen 3 Jungens gehen, ob die noch leben? Eure Kinder müßten doch
schon recht groß geworden sein. Wie gerne würden wir alle sehen. Herta will auch noch schreiben. Viele herzliche Grüße
an Euch alle, alle von Euren Eltern.
12
(Otto Schulz)
Antwort 24.8.
Wir möchten sehr gern zu Erich hin, aber wir wissen nicht auf welche Art wir es machen können, denn es sind von hier
bis Stolp 20 km und bis Slawe auch 20 Km. und zweitens müssten dann all unsere schönen Betten und was wir sonst
noch an Kleinigkeiten haben, alles hier lassen und würden so gut wie nackend dort ankommen, wenn wir überhaupt noch
durchkommen. Frau Neihs ist auch hier, die will auch gern zu ihrem Mann, welcher über die Oder ist, sie ist schon bereit
seid dem vorigen Winter , aber sie kommt bis jetzt nicht weg. Herta sorgt hier für uns, es könnte wohl kein Kind für ihre
Eltern mehr tun, aber sie hat es auch sehr schwer. Wer hätte das wohl denken können, dass wir auf unsere alten Tage von
fremden Menschen ihre Gnade leben müssen und noch wie. Von unserer Heimat kriegen wir gelegentlich auch
verschiedenes zu wissen. Also in unserer Wohnung soll Ponscheck wohnen. und Ortsvorsteher sein. Auf unserem
Grundstück ist einer, der Verwalter in Derka gewesen ist, er soll schon 3 Pferde und 6 Stück Rindvieh haben. 1 Pferd soll
dort 5000 Zl. 1 Kuh 50000 Kl. kosten. In der großen Stube soll er die Gastwirtschaft eingerichtet haben. Ihr müsst schon
verzeihen, wenn wir nicht so oft und an jeden schreiben, denn jeder Brief kostet 6 Zl. und verdienen tun wir nichts. Wenn
Herta auf alle Tage arbeitet und den Monat auch bis 50 Zl. verdient, das reicht ja nur für Streichhölzer und Waschpulver
und schicken kann nach hier keiner Geld, denn es wird hier nicht befördert. Vielleicht schickst Du diesen Brief weiter an
Erich. Ich glaube, dass ich jetzt alles so ziemlich beschrieben habe. Es grüßt Euch alle recht herzlich.
Eure Eltern und Herta.
Wißt Ihr vielleicht wo die Eltern von Annemarie sind? und die Eltern von Hildegard?
13
(Selma Schulz)
Franzen, den 16.8.46.
Ihr Lieben!
Erichs Brief vom 7.7. haben wir am 14.8. erhalten und uns sehr über den reichen Inhalt gefreut. Erich schreibt, wir sollen
in die britische Zone umsiedeln. Es ist sehr schwer von hier raus zu kommen, überhaupt für uns mit Hildegard. Es gehen
auch keine Transportzüge Hier gibt es kein Fuhrwerk und auch kein Auto, das uns nach Stolp bringen würde. Die Besitzer
haben alle keine Pferde und die Russen brauchen ihre Pferde, um die Ernte einzufahren. Hier sind so viele Frauen, wo
die Männer fort sind und sie auch gern raus wollen. Krause ist schon seit dem 12.1. von hier fort und die Frau u. Kinder
wollen auch gerne raus. Frau Nuss mit den Kindern will auch gerne von hier fort, denn ihr Mann hat eine Siedlung
übernommen und wartet dort auch mit Sehnsucht, dass sie kommen sollen. Er hat 50 Morgen Land aber kein Pferd, keine
Kuh, kein Gebäude. Vielen Dank für die 50 Mark. Der Brief war geöffnet gewesen und wieder zugeklebt. Das Geld war
drin. Schicke man nicht mehr Geld, denn wenn wir rüber kommen, dürfen wir nur 500 M mitnehmen. Jeder ein Bett und
80 (Pfund) Gepäck. Man hat schon alles verloren, dann bleibt noch das Letzte hier. Wir sind noch froh, , dass wir noch
unsere Betten haben. Wenn man ins Lager kommt, dann ohne Betten schlafen. Waren die Brunoswalder auch so lange
bis alle loszogen in Danzig. Wo sind die Kaminer; blieben sie in Kamin. Ponscheck wohnt jetzt in unserer Wohnung u. ist
Ortsvorsteher. In Bennos Haus ist eine Gastwirtschaft . Wir haben Ponschecks noch viel von unserm Geschirr u. Wäsche
übergeben, dass werden wir nicht mehr sehen. Am besten wär ja, wenn der Tod uns aus diesem Jammertal erlösen
würde. Von Tante Gunhilde habt ihr nicht gehört? Wer weiß wo Familie Löschmann steckt? Wir haben mit allen so gut
gelebt u. jetzt. Habe vor einiger Zeit an Irmgard und Werner geschrieben, aber keine Antwort erhalten. Viele herzliche
Güsse an Euch alle u. alle Verwandte von Euren Eltern.
Ergänzung mit Bleistift:
Herta hat schon 6 Briefe an Euch geschrieben. Auch wir haben Euch schon an Euch geschrieben.
Wie gern würden wir alle unsere Lieben noch einmal sehen wollen.
14
(Selma Schulz)
Franzen den 30.8.46
Eingang 19.8.
Antwort 19.9.
Ihr Lieben!
Den Brief mit den 50 M auch den vom 4.8. haben wir erhalten. Erich fragt an, was wir noch besitzen. Betten haben wir 4
Satz, wovon wir 2 leichte Betten und 2 Kopfkissen mitnehmen wollen. Wäsche und Decken können wir auch nicht alles
mitnehmen, den 80 Pfund darf man nur mitnehmen. Uns tuen am meisten die Betten leid, wenn wir auf die alten Tage
noch ohne Betten schlafen sollen. Vater haben sie, als wir flüchteten 2 Anzüge genommen. Seine Mäntel und Pelz u.
meinen Pelz sind auch noch bis jetzt in unserem Besitz. Vater Uhr, Kette, Ring haben sie ihm alles abgenommen, meine
Schmucksachen auch. Uns tut unser Nickelkaffeeservice leid, das können wir auch nicht mitnehmen. Es heißt hier ja, alle
Deutschen müssen von hier fort, sonst würden wir es ja alles bei Bekannten abgeben, vielleicht könnte man es später
holen. Unsere Wäsche, Nähmaschine, das Kaffeeservies haben wir Ponscheck zur Aufbewahrung gegeben. Günters
Anzüge gab Benno Zurr zum aufbewahren. Wir hoffen doch bald wieder zurück zu sein.
Werner schreibt, dass Tante Gunhilde u. Edith sich das Leben genommen haben, ich habe es schon oft zu Vater gesagt,
dass sie nicht mehr am Leben sind. Es ist schade um beide so gute , liebe Menschen, sie auf solche Weise zu verlieren.
Tante Gunhilde hat doch für alle so gesorgt, wir werden immer mit Liebe an sie denken. Ich habe noch im vergangenen
Sommer an sie geschrieben, der Brief kam zurück mit dem Vermerk abgebrannt. Auf welche Weise und wann haben sie
sich das Leben genommen? Soweit ich es in rechter Erinnerung habe, haben meine Eltern davon gesprochen, daß Tante Gunhilde und
ihre Tochter Edith von russischen Soldaten vergewaltigt wurden. Das konnten sie nicht verkraften. In meiner Erinnerung haben sie sich in
einem Bombentrichter gemeinsam das Leben genommen. Auch Oma Schulz soll von den Russen vergewaltigt worden sein, als der Treck von den
Russen eingeholt wurde. Wohl kaum eine Frau konnte sich vor solch einem Schicksal bewahren oder geschützt werden. Für uns Alten ist es
ja auch das Beste, wenn man tot ist, wenn man noch die letzten Tage oder Jahre so in Armut verleben soll, wenn man das
ganze Leben gesorgt und gearbeitet hat und jetzt gar nichts besitzt. Hier regnet es alle Tage, der Hafer steht noch aller
draußen u. verfault. Hier gibt es reichlich Gurken u. Äpfel, nur der Zucker u. Essig ist zu teuer., Zucker 105 Zl., das ...
Essig 17 Zl. Darüber dass Benno sich gemeldet hat, haben wir uns sehr gefreut. Herta wird mehr schreiben, denken die
Kinder noch an Eberhardsdorf?
Viele herzliche Grüße von Euren Eltern.
Ihr Lieben!
Dir liebe Hildegard danke ich ganz besonders herzlich für die Karte, die Freude kann ich Dir gar nicht beschreiben, die ich
beim Lesen hatte. Ich war wie gelähmt u. dachte, ich könnte nicht mehr vom Stuhl aufstehen – vielleicht erreicht mich
von Benno auch mal Post, kannst du mir..........
15
(Selma Schulz)
Franzen den 30.8.46.
Liebe Irmgard!
Deinen Brief vom 29.7. haben wir am 26.8. erhalten. Wir haben uns sehr gefreut ein Lebenszeichen von Dir zu erhalten.
Was hast Du mit Deinen armen Jungens alles auf der Flucht aushalten müssen. Sehr, sehr oft haben wir an Euch gedacht,
wo Ihr steckt, hauptsächlich in der Nacht, wenn man nicht schlafen kann. Aber der liebe Gott hat Euch doch beigestanden.
Bekamst Du auch Milch für die Kinder? Sie sind wohl auch elend und blaß! Wir bekommen ja auch Milch u. Buttermilch.
Es gibt aber kein Fett u. Butter, es wird hier viel Sierup gekocht u. da braucht man nicht trocken Brot zu essen. Du meinst,
wenn wir in der Heimat geblieben wären, wär es wohl besser gewesen, aus unserem Dorf sind alle Deutschen raus, wer
ein Grundstück hatte, musste es räumen. Von den Verwandten wissen wir fast schon von allen, wo sie sind, nur von den
Labuhnker wissen wir nicht, wo sie sind. Erich schickt unsere Briefe wohl an Werner u. dich weiter. Wer weiß, wo Horst
steckt u. Günther wenn doch endlich alle zu ihren Familien kommen könnten.
Viele herzliche Grüße an Dich u. die Kinder von Deinen Eltern.
(Herta Schulz schreibt auf der Rückseite)
Franzen d.31.8.46.
Liebe Irmgard!
So ganz langsam werden wir uns doch mal alle zusammen finden. Gestern schrieb Hildegard mir, dass Benno sich
gemeldet hat, Du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich gefreut habe. – Ich wünsche Dir liebe Irmgard nun das selbe Glück!
Ich habe immer gehofft, Benno würde leben u. nun auf einmal die Gewissheit, er ist in Moskau, wirst du sehen, so geht es
dir mit Horst auch. Als Du von uns fort warst, hab ich mich sehr geärgert, dass ich nicht mit Euch mitging. – vielleicht
wär es besser gewesen oder schlechter, wie man es macht, ist es eben verkehrt. Gestern haben wir bis ½ 12 Uhr Moskauer
Zeit Hafer eingefahren, wir sahen nichts mehr im Fach, hatten nur eine Laterne, ich kann Dir sagen, nächstens mehr. Ich
schreib an Erich, der berichtet Dich dann wider, denn 1 Brief kostet 10 Zl. das ist für mich viel Geld. Nun alles, alles Gute
l. Irmgard Dir u. Deinen l. Jungens herzliche Grüße Udo u. Herta.
16
(Selma Schulz, Bleistift)
Franzen den 8.4.47.
Eingang 25.4.47
Antwort 25.4.
beanw. 18.V.
All Ihr Lieben!
Es ist schon lange her, dass wir keinen Brief von Euch erhalten haben, der letzte war vom 26.1. und kam nach Vaters
Geburtstag hier an. Werner schrieb, er wollte uns Süßstoff und Rasierklingen schicken, aber es ist nichts angekommen,
die Postsachen werden hier nicht durch Postboten ausgetragen sondern durch Kinder oder Frauen und die können nicht
wissen, wer die Briefe behält. Werners Brief wo er 3 Nähnadeln schickte, kam an. Süßstoff hätte ich ja ganz gern für uns
gehabt. Aber die Rasierklingen würde ich wohl schlecht los werden. Nach Vaters Geburtstag haben wir schon geschrieben,
habt ihr den Brief erhalten? Mit unserm Rüberkommen ist es nicht so einfach. Frau Spankowski ihr Junge ist krank und
sie ging nach Schlawe, um sich zu erkundigen, ob sie nicht mit dem Krankentransport mitkommen könnte., aber die
polnische Polizei nahm sie fest und sie musste 3 Std. helfen 2 Zentner Säcke Hirse verladen. Sie kam so schlau zurück, als
sie hinging. Der Schmidt aus dem Nebendorf wollte schon 2 mal von hier fort, aber die R. holten ihn zurück, sperrten ihn
ein und belegten ihn mit Eis. Zum Sommer wird hier wohl Hungersnot werden. Kartoffeln haben hier die meisten
Menschen keine, Mehl auch nicht. Bei den Mieten steht Tag und Nacht Wache. Auch sind die Kartoffeln in den Mieten
von oben verfroren und sie dämpfen sie zum Füttern ein. Mohrrüben waren hier auch einer langen Miete, aber sie
verteilen sie nicht an die Leute sondern kellern sie ein und lassen sie verfaulen. Wir hatten auch paar Körbe Kartoffeln
eingemietet, unsere faulten auch. Ich habe sie immer durchgesammelt und so haben wir bis jetzt noch von unseren
Kartoffeln.
Jetzt zu den Feiertagen gab es Schafkäse und so allerlei Knochen zur Verteilung, aber es roch so, dass es keiner haben
wollte, und es weggeworfen wurde. Wenn man das alles hört, wie es hier zugeht, dann hat man die Nase voll und keine
Aussicht, dass es besser wird. Erich hat sich letztens nach Hellmut H. erkundigt. Den hatten sie vom November bis
Februar eingesperrt. Er ist auf seinem mütterlichen Grundstück, weshalb sie ihn einsperrten, wissen wir nicht. Nach der
Heimat haben wir nicht geschrieben, da ist wohl keine Arbeit und alles teuer. Jetzt sind wir schon 2 Jahre hier, es ist
Ostern, aber wir haben keinen Kuchen, auch kein Fleisch. Eier hatten wir zum Glück, zu Mittag gab es saure Eier. Wie
viele Menschen, sind es, die nicht mal Eier haben. Frau Neisz ist auch noch immer hier, die möchte auch so gern zu ihrem
Mann, aber sie kommt auch nicht fort. Jetzt sollen auch keine Transporte gehen. Neisz hatte doch eine Siedlung
übernommen, aber er hatte kein Gebäude, kein Vieh, nur das Land, er hat es abgegeben. Herta ist noch immer auf ihrer
Stelle, aber sie ist so unzufrieden, weil sie kein Ab. frei hat, spät abends kommt sie erst zur Ruhe. Benno schreibt wohl
auch nicht an Euch. Frau Krause ist auch noch hier, die sorgt auch sehr für mich. Böhlkes haben schon paar tausend Zl.
Anzahlung gemacht, um raus zu kommen, kommen aber auch nicht fort. Hier ist jetzt der Stab von den Russen. Es sind
jetzt viele Russen hier. wo eine eingermaßen Wohnung ist, müssen die Hiesigen räumen. und die ziehen ein. Gestohlen
wird hier auch viel, hauptsächlich Hühner. Was macht die Omi? Am besten hat es jetzt wohl Tante M., sie hat auch zu
Vaters Geburtstag geschrieben. Wann und wo hat sich Tante Gunhilde vergiftet? Wo mag sie beerdigt sein.
Herta u. Udo lassen auch alle schön grüßen.
Wir wünschen Euch allen alles Gute und senden Euch allen recht viele herzliche Grüße , Eure Eltern.
Nachrichten aus Gröbitz.
( Aus dem Weinheimer Nachlass. In meiner Obhut. In kursiv sind die Randbemerkungen meines Vaters wieder gegeben )
(Ein vergilbter Zettel ohne Datum)
Lieber Erich du fragst in deinem Brief an mich wie es kommt, daß wir nicht weiter gekommen sind. Als wir hier
ankamen, da wurde uns die Pferde und Wagen genommen, und Benno sollte auf drei Wochen zur Arbeit da haben wir auf
seine Rückkehr gewartet auch nur für Feuerung und Lebensmittel und später war es schon schwierig und mit Unkosten.
Ich bin jetzt wieder verzagt. Und wir haben unser ganzes Leben gespart und gesorgt um in Ruhe unsere alten Tag zu
sterben und nun sind wir Bettler.
Wegen Mutters Vorfahren ist am besten wenn Du dich an Erwin Löschmann wendest.
<>
Der Vater von meiner Mutter mit Nahmen Natalie Laura war Johann Böhlke gebr. in Baldau bei Dirschau verheiratet. In
Lubahn mit Witwe Davit gebr Karnat. Also Johanna Engler, geb. Böhlke wird darüber wohl genau Auskunft geben
können, denn die hat die ganzen Sachen aus den Kirchenbüchern aufgefunden.
Unsere Vorväter waren schon im siebzehnten Jahrhundert …. Mühlenbesitzer in Pommern im Kreis Stolp oder Slave und
haben immer Adolf Heinrich Schulz geheißen, die Mühlenbesitzer waren. Leider sind mir diese Gerichtsverschreibungen
jetzt verloren gegangen.
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Böhlke, Johann aus Baldau/Dirschau verheiratet in Luban mit Witwe Davit, geb. Karnat.
Tochter: Natalie Laura BÖHLKE heiratete … Schulz. Sohn: Otto
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Gröbitz, den 6. 11. 48 ( 10.12.48).
Euer Paket mit all den guten Sachen gestern erhalten. Wir haben uns sehr dazu gefreut. Gries bekommen wir hier keinen.
Zucker gibt es aber alle 10 Tage per Pers. 200 Gr. Fleisch haben wir den ganzen Mt. keines bekommen. Federvieh, Eier u.
Milch gibt es bei den Bauern auch nicht zu kaufen. Vater denkt immer beim Essen an ein Stück von der alten Sau, ich
habe mir den Gedanken an Fleisch schon ganz abgewöhnt. Ich bin froh, wenn ich den Sonnabend auf Marken paar
Brötchen kaufen kann. Der Bäcker backt sehr gut. Morgen und Montag wird hier Kirmes gefeiert und da werden sehr sehr
viele Kuchen von den Einwohnern gebacken. Ich lasse das Kuchenbacken schon bis zu meinen Geburtstag, denn dann ich
etwas mehr und besseres backen. Gekochte Mohrrüben und Kartoffeln sind hier und Butter in meinen Kuchen, jetzt werde
ich wenigstens gut Zucker rein machen. Heute zu Mittag gab es bei uns Kohlrouladen mit Gerstengrütze gefüllt, hat gut
geschmeckt. /
In diesem Winter werden wir nicht so darben brauchen, denn wir haben so einigermaßen von allem etwas eingesammelt,
auch noch Gemüse von unserm Land eingeerntet. Auch etwas Obst getrocknet. Einwecken konnten wir nichts, weil wir
keine Gläser haben. Ihr dürft Euch in diesem Winter nicht so viel Sorge und Arbeit machen wie im Vergangenen. Wir
sind auch noch sehr dankbar für all die Päckchen, die ihr an uns geschickt habt. Es kommen jetzt so viel Gefangene, aber
unsere Lieben kommen nicht.. Englers sind jetzt wohl auch aus Polen raus, denn Annemarie bekam ihren Brief zurück mit
dem Vermerk, über die Oder gezogen. Vielleicht besucht uns Annemarie zu meinem Geburtstag oder wenn Sie Nachricht
von ihren Eltern hat, fährt sie dort hin. Sage Euch recht vielen Dank für die Glückwünsche zu meinem Geburtstag. Seid
ihr und die Kinder alle recht herzlich gegrüßt von Eurer Mutter.
Lieber Erich wenn es dir möglich ist, dann sei so gut und schicke mir bald etwas Tabak, denn hier gibt es keinen wenn es
geht dann aber etwas hellen nicht so dunklen Tabak damit mein weißer Bart nicht drunter leidet. Wenn das Lernen dem
Hans Eberhard schwer fällt, dann quält ihn nicht , denn er ist noch jung und kann es später noch schaffen. Benno war
auch schon 12 Jahr wie er nach S......[?] kam und hat es ebenso weit gebracht wie alle. Viele Grüße an alle Vater.
Bitte schreibt doch, ob der Karton und Verpackung zurück geschickt werden soll.
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Gröbitz, den 23.11.48
Ihr Lieben!
Das Paket mit Nudeln den Tee und die Glückwünsche zum Geburtstag habe ich vom 19. 11. Erhalten. Vielen herzlichen
Dank für alles. Ihr braucht uns vorläufig nicht zu schützen, denn wir haben uns im diesem Dezember von allem etwas
eingesorgt nur Fett und Fleisch fehlt und das habt Ihr ja auch nicht. Ihr habt ja auch viel Arbeit mit uns, mit dem
Schicken. An meinem Geburtstag kam Annemarie herüber, sie kam am Vormittag von Weißenfels zu Fuß, weil kein Zug
am Wochentag fuhr. Benno hatte uns ein Kaninchen geschlachtet und da gab es zu Mittag den Braten, welcher sehr gut
schmeckte. Zum Kaffe hatte ich Kuchen mit Rosinen und Marzipanstriezel gebacken. Wir bekamen durch den Pfarrer
Lebensmittel aus Afrika, 3 Pfund Zucker, 3 Pfund Mehl, 3/4 Pfund Rosinen und 1/2 l. Öl zugeteilt und da konnte ich gut
backen. Annemarie und Herta hatten auch noch jeder für uns Kuchen gebacken, da hatten wir sehr reichlich Kuchen.
Werner schenkte mir noch 50 Mark. Annemarie schenkte mir auch noch eine weiße Weste zum blauen Kleid und noch so
kleine kleine Sachen. Den Sonnabend Mittag fuhr Annemarie nach Hause, es waren für uns alle schöne Stunden. Schade,
daß ihr nicht hier sein konntet. Sehr gerne hätten wir euch auch alle in unser Mitte gesehen. Die Eltern von Annemarie
sind jetzt aus Polen mit dem Transport nach Mühlhausen gekommen, worüber wir uns alle sehr freuen. Die haben auch
schon eine einigermaßen Wohnung und die nötigsten Möbel gefunden. Sie sind beide fast elend und Marta Her… haben
auch nicht was rechtes anzuziehen, jetzt haben die Töchter auch allerhand zu sorgen. Das Paket von Erich was Ihr an
Werner geschickt habt, ist noch nicht angekommen, es wird auch …. . Sollen wir die Verpackung von dem Packet zurück
schicken? Hier ist noch gutes Wetter, wir haben noch die kleinen Mohrrüben und Wrucken draußen, die sollen noch
wachsen. Irmgard hat lange nicht geschrieben, die Arme schreibt auch sehr traurige Briefe, aber wir können ihr auch nicht
helfen, so gerne wir möchten. Schade, daß wir so weit auseinander sind. Gerne würden wir euch alle sehen. Nochmals
vielen herzlichen Dank für alles. Wir wünschen euch alles Gute. Viele herzliche Grüße an Euch und die Kinder. Die
Flasche haben wir zurück geschickt.
Von euren Eltern. Ihr Lieben!
Auch ich danke Euch für den Tabak, für die kleinen Nägel. Bei uns ist sonst alles beim Alten. Post erhalten wir jetzt sehr
wenig. Wie geht das Geschäft, wohl auch nicht besonders bei der dortigen großen Arbeitslosigkeit. Für heute Schluß.
Vielleicht schreibe ich nächstens mehr. Beste Grüße Herta, Udo u. Benno.
(Postkarte) Gröbitz, den 5.1.49. (20.1.49).
Ihr Lieben. Will Euch doch miteilen, das wir die Feiertage unruhig verlebt haben, denn Herta ist sehr krank und seit dem
29.12. in Weißenfels im alten Krankenhaus auf Stube Nr. 7. Herta hat Nierensteine. B. ist schon zwei mal dort bei ihr
gewesen, es ist aber immer noch nicht besser. Wenn eine Besserung bei ihr eintritt, werden wir Euch gleich Nachricht
geben. Werner schreibt, daß er von Euch seit September keine Nachricht bekommen hat und wartet auf einen langen Brief
von Euch. Besten Gruß von Euren Eltern und Benno. Von Jakobie haben wir beide Sachen erhalten.
Otto Schulz. Gröbitz Post Prittitz Kreis Weißenfels Sachsen.
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Gröbitz, den 23.12.49.
Ihr Lieben!
Vielen dank für Eure beiden Pakete, die hier unbeschädigt angekommen sind. Wie sollen wir Euch für all die guten
Sachen danken, wir würden uns so etwas gar nicht kaufen können. Im HO gibt es alles, aber alles sehr teuer., 1/2 Pfund
Käse 7 Mark. 1 Pfund Margarine 18 Mark, 1 Hering 1,50 Mark. 1 Gans 60 Mark. Fleisch bekommen wir noch auf unsere
Karten aber es ist auch teurer. Wir haben zu dem Weihnachtsfest einen jungen kleine Hasen von unserewr Hauswirtin
eingetauscht. Pfefferkuchen, Hafermakronen 1 Kuchen von euren Kuchenmehl und 1 Streuselkuchen mit Sultaninen habe
ich auch beim Bäcker backen lassen. Von den Mandeln habe ich Bonbon gemacht. Es sind in diesem Jahr doch schon
bessere Tage für uns als so lange. Was habt Ihr doch für Ausgaben und Arbeit mit uns, es ist mir recht peinlich, daß Ihr so
viel Geldausgaben für uns habt. Vorläufig haben wir jetzt ja alles was wir brauchen. Von Werner bekamen wir 10 Mark
und Annemarie schickte uns Pfefferkuchen, Wolfgang hat auch eine kleine Laubsägearbeit für uns gemacht. Inge hat einen
Brief geschrieben. Uns fehlt nötig ein Ofen der kostet 80 Mark und den gibt es in Weißenfeld. Der Kognak hat dem Vater
gut geschmeckt, er hat schon lange keinen getrunken, ich habe nur ein 1/2 Glas getrunken, mir wurde schlecht danach.
Benno hat da du lieber Erich schicken wolltest, bis heute noch nicht erhalten
Herta hat zu Weihnachten für fremde Menschen so viel zu stricken, daß sie manchmal die halbe Nacht auf sitzen muß, sie
bekommt dann Lebensmittel für die Arbeit. Wir befürchten, sie wird noch kränker werden. Wir gehen immer um 8 Uhr ins
Bett, weil es kalt ist und das elektrische Licht ausgeht. Neujahr will Bruno Löschmann mit seiner Frau und Tochter zu
Herta zu Besuch kommen. Hoffentlich bleibt solch gelindes Wetter wie es jetzt ist. Bei uns sind 10 -12 Grad im Zimmer.
3. In der vergangenen Woche haben sie bei unserer Hauswirtin eingebrochen und ihr von einem 2 1/2 Ztr. Schwein allen
Speck, Schinken, Wurst und Trockenobst gestohlen. Sie hat so gespart, das sollte bis nächstes Jahr ausreichen und jetzt ist
alles fgort. Lebensmittelkarten bekommt sie keine. Die Kammer, wo (sie) geklaut haben, ist oben und liegt zwischen den
Stuben, wo wir alle schlafen und keiner hat etwas gehört. Die Frau ist ganz untröstlich. Hier wird oft die Speisekammer
ausgestohlen, aber die Spitzbuben bekommen sie nicht. Wir dürfen keine Angst haben, daß sie uns bestehlen , weil wir
nichts besitzen. Vielen Dank für die Handtücher und die Scheuertücher, wir haben Herta von allem abgegeben. Vielen
herzlichen Dank für all die guten Leckereien in den Paketen, wie können wir Euch dafür danken. Bei unser Zuteilung
können wir uns nicht so was leisten. Hier giebt es jetzt von allem etwas mehr, aber es ist uns alles teuer. Lieber Erich, du
fragst an, was wir brauchen, wir sind noch mit allemn versehen. Wir können ja auch nicht verlangen, daß Ihr nur für uns
sorgt. Ihr habt ja Eure Familie, wo doch auch alles fehlt. Kerzen haben wir, wenn dunkel wird, sonst haben wir
elektrisches Licht. Wenn es nur bald wärmeres Wetter werden würde, daß ich etwas rausgehen könnte, denn ich bin nicht
richtig gesund. Viele herzliche Grüße von Herta, Benno Udo und Euern Eltern.
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Gröbitz, d. 7.1.50. ( Eing. 11.1. Antw. 15.1.50)
Ihr Lieben!
Das Paket mit Mehl, Gries, Margarine, Vanillezucker, Backpulver, Puddingpulver haben wir am 3. unbeschädigt erhalten,
euren Brief mit den Glückwünschen zum Neuen Jahr auch. Wir danken Euch für alles recht herzlich. Vorläufig sind wir
mit allem versorgt und wir möchten Euch vorläufig nicht mit Paket schicken belästigen. Mit umtauschen gegen andere
Lebensmittel, ist hier nichts zu machen, es hat fast ein jeder Verwandte in der anderen Zone und es kommen viele Pakete
an. Am Vormittag vor Neujahr kam Brunos Frau mit 8 jähriger Tochter zu Herta zu Besuch, fuhr am Neujahrstag auf
Mittag wieder ab. Sie arbeitet in der Lederfabrik, sie muß auch sorgen, wie sie sich und ihre Tochter ernährt, die Tochter
ist auch kränklich, es ist ein sehr aufgewecktes Kind. Mittag bekommen sie beide von der Fabrik. Die Kleine soll viel Fett
u.s.w. essen und von wo herbekommen? Gustel kann viel erzählen. Von Annemarie, daß sie in den Feiertagen an
Mittelohrentzündung erkrankt ist wird Werner Euch doch wohl mitgeteilt haben. Es tut uns sehr leid, daß sie jetzt so viel
krank ist. Es ist noch ein Glück, daß die Oma da ist. Wie Werner in die Wohnung eingezogen war, war Annemarie so
zufrieden und glücklich, daß sie so schöne Möbel hatte und ihre eigene Wohnung und jetzt das Unglück mit der Krankheit.
Es tut uns sehr leid, hoffentlich wird sie bald gesund. Wir haben schon ganze Zeit den Husten und Schnupfen. Es macht
auch das unbeständige Wetter. Ich habe mir 2 Säckchen mit Pflaumensteinen gemacht, die nehme ich immer mit ins Bett.
Von Vaters Medizin ist keine Spur , als wir umzogen, ist alles verschmißen. Daß die Kinder so gut lernen, freut uns. Wir
wünschen Euch allen ein frohes gesundes Jahr und seid alle vielmal gegrüßt von Euren Eltern.
Wir sollen zu Herta zu Kaffee u. Kuchen kommen. Herta u. Benno lassen auch schön grüßen.
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