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Wahre Freundschaft. Wer die Briefe der Schulzens liest, wird gewahr, wie Not zusammen schweißt. Allgemeine Bildung und Herzensbildung der drei / vier Briefschreiber ist so dicht beieinander, dass sie ich stets nach dem Absender sehen muss, um heraus zu bekommen, wer da eben gerade geschrieben hat: Oma? Tante Herta? Opa? Onkel Benno. Anders die Briefe der “Königsberger”. Meine Omi sieht sich von den “Lieben” umgeben in einer grausamen und rechtlosen Zeit. Frau Krüger ist einfacher gestrickt. Sie ist auch “gläubig” aber darauf bedacht, sich in ein gutes Licht zu rücken. Ich habe den Verdacht, sie sucht nach  einträglichen Verbindungen. Sachlich sind die Wundrams, von Frau Krüger gut durchschaut. Was sie sich erzählten. Ich schrieb eingangs, dass meine Eltern viel Besuch bekamen von unseren Verwandten. Ja, man traf sich gerne in Weinheim oder in Brensbach bei Onkel Erwin, den Löschmanns. Leider waren wir Kinder nie dabei. Einerseits wollten wir gerne spielen oder stromerten mit den Cousinen oder Cousins durch Weinheims Attraktionen, wie die Burgen, den Schlosspark oder den Exotenwald. - Der war vom Grafen von Berkheim angelegt worden. Wegen der klimatisch günstigen Lage Weinheims hat er Pflanzen und Bäume aus aller Welt hier kultiviert. - Zum Anderen, hieß es nach der “braven” Begrüßung und nachdem nach der Schule gefragte war, nun, dann geht mal “spielen”! Aber dennoch kenne ich ein wenig die Schicksale unserer Verwandtschaft. Onkel Herbert und Tante Lita Papke - seine Mutter war wohl eine geb. Löschmann - kamen fast jeden zweiten Sonntag zu uns. Sie hatten in der Heimat eine Tochter, die an Diphtherie verstarb. Aus ihrem Besitz bekam ich ein umhäkeltes weißes Taschentuch zur Konfirmation, das sie schon zu ihrer Konfirmation in ihrem Gesangbuch gehalten hatte. Kamen sie, gab es oft für jeden 50 Pfennige. Onkel Herbert war Stadtbaurat in Mannheim. Ihre Wohnung hatten sie durch eigene Hände Arbeit in einer Hausruine mit aufgebaut. Der jüngere Bruder, Rudi Papke, kam mit seiner Frau Anna und der gemeinsamen Tochter Gerlinde  auf Grund von Papas Verbindungen nach Weinheim. Er war vorher in Eckernförde als Lastkraftwagenfahrer bei den Engländern tätig. Nun konnte er in der Schloßstr. Ecke Freudenbergstr. ein Lebensmittelgeschäft übernehmen. Dort war ich oft und gerne, um einmal in der Woche am Samstag einzukaufen. Bei dieser Gelegenheit half ich im Laden und im Keller. Den galt es von dem Gerümpel der Vorgängers zu leeren. Dabei fand ich ein amerikanisches Bajonett, das ich behalten durfte. Außerdem bekam ich als Lohn ein braunes englisches Militärhemd. Das war im Stoff zwar sehr rau, aber haltbar. Ich habe es lange getragen. Das Bajonett kam mir in Büchen abhanden. Ich hatte damit Quitten gewürfelt und es wohl mit dem Abfall auf den Kompost geworfen und nie wieder gefunden. (vgl. a. Weinheim). Onkel Hugo Solling.  Er kam auch oft zu uns. Als Dr. Dr. Ing habil. war er Direktor der Pfalzwerke geworden. Lebte erst in Ludwigshafen, bis er seine Sekretärin Amella heiratete und in Bad Dürkheim sich ein Haus baute. Das war nach neuestem Standart von den Pfalzwerken elektrisch ausgestattet. Seine Mutter, Tante Gunhilde Smolinski geb. Löschmann lebte in Langfuhr. Sein Vater war Direktor eines Gymnasiums in Danzig Zu Tante Gunhilde sollte ich immer gehen, wenn ich auf dem Schulweg von einem Bombenalarm überrascht wurde. So weit ich mich erinnere, war ich da nur ein mal. Tante Gunhilde und ihre Tochter Edith blieben in Danzig. Als die Russen kamen wurden sie vergewaltigt. Das war ihnen solch eine Schande, dass sie sich in einem Bombentrichter das Leben genommen haben sollen. Offenbar wurde auch ihr Haus zerstört ( Brief //14/ vom 30.8.46.). Onkel Hugo hatte seinen Namen in Solling arisiert. Seine DR. - Arbeit hat er über den Entwurf einer zentralen Heißwasser Versorgung für ganz Danzig geschrieben. Er war damals auch schon verheiratet mit einer sehr selbstständigen Frau, Margot, die nach 1945 in Nürnberg lebte. Eine gemeinsame Tochter Gisela. M. Stroope lebt in den USA. ( 1922 - 48th. Avs. San Franziscó 16- Calif. ). Nach Ludwigshafen wollte Tante Margot nicht mitkommen. So kam es dann zur Scheidung. Er hatte schon bald einen schwarzen Mercedes, wahrscheinlich einen Dienstwagen, mit dem er uns dann besuchte oder auch meine Eltern mit nach Brensbach nahm. Er machte mit uns Kindern gerne “Wippchen” - Späße und konnte selbst am meisten darüber lachen, wenn er uns rein gelegt hatte. Später heiratete er seine Sekretärin Amella, eine echte Pfälzerin, die in unserer Familie sehr gelitten war. Tante Linda Löschmann geb.  . Sie war die Frau des Gutsbesitzers Alfred Löschmann, aus Strippau, dem Bruder von Onkel Erwin, den Pfarrer. ( Vergl. Brief an Martin vom      2007. ). Sie wurde von den Polen von ihrem Hof verschleppt und mit ihren Kindern ins Gefängnis gesperrt, als unsere Soldaten in Polen einfielen und der zweite Weltkrieg begann. Sie hatte  zunächst drei Töchter. Helga, Dorit und Hannelore. Das war für ihren Ehemann eine so große Enttäuschung, dass am Tage der Geburt der dritten Tochter , der Hannelore, nicht mal an Tante Lindas Bett ging. Dass das vierte Kind dann doch ein Junge wurde, der Günter, hat er nicht mehr erfahren, da er zu der Zeit schon gefallen war. Sie holte Papa auch nach Weinheim, wo im Umkreis so langsam alle Verwandten eine neue Heimat fanden. Tante Linda musste als Flüchtlingsfamilie erst im Weinheimer Gefängnis wohnen, das nicht mehr als solches genutzt wurde. Nachher wohnten sie gegenüber dem Hexenturm. Die Gefängnisbetten, die mitnehmen durften, habe ich mir erbeten. Als Doppelstockbetten dienten sie Manfred und mir als Schlafstelle, wodurch wir in unserem Zimmer Platz zum basteln und spielen gewannen. Die Betten waren zwar nur 180 lang, sodass ich immer das Gefühl hatte, im Schlaf sowohl zu stehen als auch einen Kopfstand zu machen. Aber das nahm ich in Kauf. Mit diesen drei Cousinen und dem Cousin haben wir drei Geschwister oder auch nur ich viele sonntägliche Spaziergänge gemacht. Für Tante Linda war ich oft der Handwerker und Günter wurde Mitglied meiner eigenen Jugendgruppe. Helga war mit Ursula in einer Jungendgruppe. Onkel Erwin Löschmann, Pfarrer verheiratet mit Irene, geb.  lebte nach dem Kriege erst in Beilstein und betrieb da neben seiner Pfarrstelle eine Schweinezucht und eine Hühnerlegefarm. Als er beim Militär war, lernte er als Funker den Umgang mit Elektrizität. Das half ihn, sich in Beilstein eine Brutanlage für Kückenzucht. Zu betreiben. Er war schon immer vielseitig. Als Vikar betrieb er eine Rosenzucht und im Ruhestand baute er sich aus Y-tongsteinen seinen Alterssitz. Er wollte der älteste aus der Familie werden. Den eigen Urin zu trinken, verschrieb er sich darum als Medizin. Er erreichte aber dieses Ziel nicht. Im Pfarrhaus wuchsen die Töchter Bettina und Eva-Maria und als Nachkömmling, der Martin auf. Muttis Schulfreundin
Als Umsiedler kam noch Tante Almchen zu uns nach Weinheim. Alma Schulz  war eine Klassenkameradin von Mutti. Sie kam aus der DDR mit  ihren Töchtern Jutta uns Ines Magret. Eine dritte Tochter, die Älteste, blieb in Ost-Berlin. Alma Schulz war Lehrerin und hoffte noch lange auf die Rückkehr ihres vermissten Mannes. Sie hat über einer Landkarte gependelt, um ihn zu suchen. Das Pendel schlug aus, aber er kam nicht. Sie jedoch war öfters zum Kaffe bei Mutti, und schwärmte von ihrer schönen neuen Wohnung und den neuen Möbeln. Dazu setzte sie sich abwechselnd in immer eine andere Ecke ihrer Wohnung. “Heute habe ich wieder gewohnt!” erzählte sie dann. Ihre Lehrerausbildung in der DDR war atheistisch, musste aber dennoch Religionsunterricht erteilen. Und es machte ihr Spaß. Sie behandelte die Themen, indem sie die Kinder nach ihren Vorstellungen betrug. Gemeinsam suchten sie also miteinander nach Antworten. Heute, sie lebt noch bei Stuttgart mit ihrer Tochter Jutta in einem Haus. Sie  ist eine reges Gemeindemitglied, das an jeden Donnerstag Abend von der Gemeindepastorin besucht wird. Sie haben immer nette Gespräche mit einander. Die jüngere Tochter ist leider schon verstorben. In Eckernförde ist Tante Irma geblieben. Irma Schulz, geb. Papke. Sie hat mit ihren Töchtern noch die Einnahme Danzigs durch die Russen erlebt. In Danzig erlebte sie es, dass jeden Abend ein unbekannter Pole ihr und den Töchtern ein Brot brachte .Unter den Polen ließ sie sich zu ihrer Schwester Hilda Lange ausweisen. Das war dann an der Grenze zur damaligen russischen Besatzungszone sehr dramatisch. Sie hatte ein Federbett mitgenommen. Das wollte ein polnischer Grenzer. Als sie es nicht rausgeben wolle, wurde sie mit dem Gewehrkolben geschlagen. Sie war uns in der Eckernförder Zeit eine liebe Verwandte. Sie strickte für uns, was Mutti nicht so lag. Da wohnten sie in Borby. Später in der ehemaligen “Torpedo Versuchsanstalt”, TVA - Süd. Da machten die drei Töchter sich einen Spaß daraus, dass sie vor ihrem Fenster die Ostsee hatten, indem sie im Sommer morgens gleich in der Förde badeten Die älteste Tochter Daggi - Dagmar - gab mir Nachhilfeunterricht. Die Tochter Dietlinde wurde ebenfalls Lehrerin und heiratete einen Schornsteinfegermeister in Heide. Die jüngste Tochter Uta wurde ebenfalls Lehrerin. Sie war das Patenkind meines Vaters und heiratete einen Kollegen, Henning Lemster. Sie wohnen heute noch in Eckernförde. .                                                                                                                                                           Wie konnte das alles geschehen? Lese ich die Briefe aus Königsberg, von Frau Krüger und indirekt die der Gröbitzer, so ist es in deren Augen und Gedanken ihr Glaube, der die Antwort gibt. Die Frage, womit haben wir dieses Schicksal verdient? stellen sie nicht. Und die entlastende Vorstellung, wie gnädig hat es doch Gott mit Siegfried, Christel und Karl gemeint, dass sie dieses Elend, dieses schwere Schicksal nicht zu tragen, zu erleiden haben!  (Brief /50/ vom 18. 8. 46 ), verdrängt die Erinnerungen an die brennenden Synagogen von 1939 und den vom Zaune gebrochenen Krieg. All die existentiellen Fragen werden im Glauben Gott an Heim gestellt. Das mag einen bigotten Gläubigen entlasten. Wessen Glaube aber durch die Ereignisse überfordert wird, der gerät in Zweifel. Will er nicht verzweifeln, stellt er die Existenz Gottes in Frage. Die Begründung ist die Erkenntnis, dass Gott “schweigt!. “Der Notschrei ist groß” schreibt meine Großmutter am 9.10.47.( /57/) Nicht nur sie hat gebetet, gefleht, geschrieen. Das haben mit ihr viele! Man stelle sich doch mal dieses Geschrei vor, das da gen Himmel gesandt wurde. All die Menschen, die diesen Krieg zu spüren bekamen. An der Front, die Soldaten, in den Gefechtszonen die Frauen, Kinder, die Alten und Jungen. Die Panik der Menschen unter Beschuss oder im Bombenhagel, der Männer auf See. Und Gott schwieg nicht nur damals, sondern auch unzählige Male davor und  heute ist es seit dem nicht stiller geworden. Das Beten und Flehen setzt sich bis in unsere Gegenwart vieler Orts weiter.  Und Gott schweigt. Wenige sind es, die bekennen.” Mich hat er erhört!” Nein, es ist eine Tragödie hier auf Erden und kein Gott, der hört oder gar erhört! Damit sind diese Menschen nicht allein. Mit dem schweigenden Gott ringen auch die frommen Beter der Psalmen. Andere werden zu Propheten und erkennen, dass eines Tages die Abrechnung kommt: Gott hat Geduld! Habt ihr es auch, er wird es Euch dann vergelten. Den einen mit Strafen, den anderen mit Erlösung. - Wer will das noch glauben? Wer kann das noch verstehen? Für mich steht der Glaube an Gott für die Tatsache, dass wir die Antworten nicht wissen. Und zugleich entziehen wir uns durch  Glaubensgehorsam der Mühe, selbst Antworten auf die Lebensfragen zu suchen und unsere Entscheidungen vor einander selbst zu verantworten. Für mich predigte Jesus von Nazareth die Menschlichkeit, sprich von unserer Unzulänglichkeit. Der könne man allein mit der “Liebe” begegnen. Die rechnet der Schwester und dem Bruder Mitmensch das Vergehen nicht zu, das er bereut. Jesus von Nazareth traut den Menschen den Willen zu, einen friedlichen Umgang mit seinen Mitmenschen pflegen zu können. Die Geschichte lehrt es: Streit gibt es nur, weil es Konflikte in der Vergangenheit gab, die nicht “vernünftig” gelöst wurden. So kann nur die Suche nach einer gemeinsamen Zukunft neue Konflikte vermeiden und den Wiederausbruch alter Konflikte verhindern. Dabei bin ich mir bewusst, dass diese Lösung genauso wenig von der Allgemeinheit angenommen wird, wie auch Jesus letztlich am Kreuz scheiterte. Aber die Hoffnung starb nicht. Dafür steht der Mythos von der Auferstehung Christi und die Kraft der Jesusanhänger, die die Kirchen hervor gebracht hat , die immer wieder auf die Liebe Jesu zurück greifen. Es sind die Worte: Liebet eure Feinde, tut wohl denen, die euch hassen. Und: Lasst die Toten ihre Toten begraben! Jesus hat nicht leiblich überlebt, aber die Liebe, die er gepredigt hat. Die Vergangenheit sollte uns immer mahnend präsent sein. Darum möchte ich auch, dass die Briefe meiner Großeltern wieder und wieder gelesen werden. Sie stehen für mein Mitgefühl. Meine Großmutter, die Omi steht für all die Mütter, die die Zeit des Dritten Reiches durchlebt haben. Sie haben ihren Männern Kinder geboren. Die meisten Mütter haben, so gut sie es konnten, um das Überleben dieser Kinder und ihrer Familienangehörigen gekämpft, wissend, dass ihre Männer und Väter an der Front im befohlenen Einsatz waren. Ich habe sie kennen gelernt, diese Frauen und Mütter. Sie haben selbstständig gehandelt. Sie haben selbstbewusst stellvertretend ihren Mann gestanden. Das war mehr, als Emanzipation. Emanzipation heute war eine und ist eine Ideologie, die sich dem Leben verweigert.  Respekt vor Eva Herrmann und Ursula von der Leyen. Auch sie stehen für viele!                                                                                                                                                                     Ausblick                                                                                                                                                                   Wir die  spät geborenen und Nachgeborenen und Ihr die Erben!                                                                                                                                                                Wenig haben wir selbst erlebt, manches selbst gesehen,                                                                                                                                                                   mehr gehört.                                                                                                                                                                            Vieles lesen wir in der Zeitung, und krasser ist, was wir als Zuschauer im Fernsehen gezeigt bekommen:                                                                                                                                                                 Elend und Leid,                                                                                                                                                                  Tränen und Geschrei,                                                                                                                                                                         blinde Wut und bittere Verzweiflung.                                                                                                                                                                          Allein oder in der  in der Masse.                                                                                                                                                                             Dazu  zerbombte Häuser in Schutt und Asche.                                                                                                                                                                             Verwüstete Ländereien, krepiertes Vieh. Ziehen wir aber heute einen Schlussstrich: Es ist wieder aufgebaut. Vieles schöner, moderner und bequemer. Mancher freut sich des Lebens, wenige sind dankbar. Und ehrlich: Selten sind wir glücklich. Es wunderte sich unser Chauffeur aus Danzig, der Viktor: WIR haben den Krieg gewonnen, IHR aber schickt uns Pakete. Engländer demontierten unsere Fabriken. Und die Russen machten es , wenn es sich ergab, gleich mehrmals. Dieses “Wirtschaftswunder” haben unsere Eltern vollbracht. Sie, die als Nazis verfemt wurden und oft noch werden. Die Amerikaner zweifelten an Erhards Wirtschaftspolitik. Nun sind wir nach 60 Jahren Exportweltmeister. Als Zwischenbilanz können wir feststellen: Wir sind wiedervereinigt. Wer hat damit gerechnet? Ich schon, aber Helmuten hat es durchgefochten. Die Endbilanz aber ist offen. Es kann sich schnell alles wiederholen. Nicht nur persönliches Pech. Unglück schläft nicht. Katastrophen lauern mannigfaltig. Und Überall kann es wieder Krieg geben.                                                                                                                                                                      Genießt, was ihr habt! Vergesst nicht, was war!                                                                                                                                                                         <>                                                                                                                                                              Der  Brief meiner Mutter an ihre Freundin kurz nach der Flucht. 02 Auszug aus dem Brief vom 24.02.1945. Nun will ich Dir kurz berichten, wie es uns ergangen ist. Wir (Mutti mit uns drei Kindern: Hans-Eberhard, Ursula und Manfred und Tante Liselotte – Siegfrieds Frau - mit Ingrid und Brigitte, den Kindern von Tante Christel) fuhren am Montag um ½  11 Uhr per Lieferwagen los, waren gut  in Liegestühlen verpackt mit Betten und Decken drunter und drüber. Wir saßen so schön warm, dass die Fahrt eine Vergnügungsfahrt war. Wir hatten etliche Koffer mit und Verschiedenes in Rucksäcke gepackt. Um ½ 7 Uhr  abends kamen wir warm und frisch (in Köslin) an. Die Wohnung bewohnt ein Bekannter meines Schwagers. In kurzer Zeit hatten wir die Wohnung in ein tolles Durcheinander gebracht. fanden aber alle bequem Platz. Der Chauffeur und der Beifahrer schliefen in der Küche (auf Stühlen). Pommern war auch schon Gefahrenzone I. Ich hatte eine Unruhe in mir. Meine Schwägerin (Lieselotte) wollte zu ihren Eltern. So entschlossen wir uns  entgegen unserer Abmachung mit Erich, noch einige Tage in Köslin abzuwarten, sofort am nächsten Tag Morgen 5 Uhr mit einem Personenzug, der in Köslin eingesetzt wurde, weiter zu fahren. Eilig packten wir  zusammen, was wir konnten und riskierten es als Gepäck auf zu geben. Stell Dir vor, hier ist alles Angekommen:. 7 Gepäckstücke. Unser Chauffeur half uns dabei, ebenfalls am nächsten Morgen in den Zug., das war eine große Hilfe.. Mit einer Stunde Verspätung fuhren wir ab, hatten alle einen Sitzplatz. Unterwegs wurde es mitunter sehr eng, aber wir kamen glücklich abends gegen 7 Uhr in Berlin an. Hier wollten wir übernachten bei Verwandten in Babelsberg. Doch sahen wir ein, dass wir mit unserer Kolonne es nicht riskieren konnten quer durch Berlin zu fahren, so  entschlossen wir uns wiederum kurz, weiter zu fahren. Um 24 Uhr fuhr ein Zug nach Stadthagen. Bis dahin nahm uns die NSV durch die HJ auf und bewirtete uns gut. Wir bekamen kräftiges Essen, wärmen, konnten uns waschen usw. Es war eine Wohltat. Wer hätte das gedacht, dass wir einmal als Flüchtlinge durch Berlin ziehen würden und wie dankbar sind wir den Berlinern. Um 24 Uhr brachte uns die HJ an und in den Zug. Es war ein Kampf und beinahe hätten wir nicht alle Kinder (Manfred und Brigitte) mitbekommen. ( doch schreib davon nichts weiter, Erich darf´s nicht erfahren).Aber wir hatten wohl starke Schutzengel. Wieder hatten wir aller Platz. Jeder Mitreisende, es waren verwundete Soldaten, nahm ein Kind zu  sich. Sie waren so entgegenkommend, es war fast eine schöne Fahrt. Mit viel Verspätung trafen wir in Stadthagen ein. d.h. 5 Stunden für heutige Zeit ist das eigentlich gar nichts. Hier wurden wir so lieb und gut aufgenommen, als wären wir daheim. Einen schönen großen Raum hatten wir  und fanden alle bequem Platz und haben herrlich geschlafen. Die Kinder hatte die Fahrt kaum angestrengt. Und auch wir haben uns schnell erholt, den größten Anteil an den Strapazen hatte ja meine Schwägerin. Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie glücklich wir waren und noch sind, dass wir die Reise so gut überstanden haben erscheint uns wie ein Wunder, überhaupt , wenn man von allen Seiten von dem großen Flüchtlingselend hört. Auch blieben wir überall von Alarm verschont. Und stell Dir vor, der Zug, den wir in Köslin benutzten, war der letzte , der fuhr. Später fuhren nur noch Güterzüge. Erich war zuerst sehr entsetzt, dass wir gleich weiter gefahren waren, er war mir fast böse.  Nun wird er heilfroh sein, wir hätten nie eine bessere  Fahrt haben können. Wir wohnen hier sehr schön im Schloß, haben noch ein Zimmer dazu bekommen, sodaß die Kinder auch ein Spielzimmer haben. Draußen im Schlosshof und Garten können sie sich austoben u. wir haben sie immer unter Aufsicht. Hühner haben wir uns auch schon gekauft. Hier merkt man nichts von allem Kriegsgeschehen, trotzdem hier viel Aachener Flüchtlinge sind. Stadthagen ist ein hübsches wohlhabendes Städtchen. Jeder hat seinen Garten u. die meisten schlachten selbst. An Gemüse ist das Land reich. Mohrrüben und Wrucken bekommst du im Geschäft, wo du gemeldet bist frei. Auch haben wir schon reichlich Schnittlauch. Der Gau ist hier reich. Es gibt hier nur Schweinefleisch, stell dir vor! Die Rationen sind hier sonst natürlich  die gleichen. Die Kinder fühlen sich sehr wohl hier, die Oma Wellershaus verwöhnt sie auch sehr., einen Appetit entwickeln sie alle! Hans-Eberhard und Ingrid haben schon mit der Schule angefangen, sie gehen hier schnell voran, darüber bin ich sehr froh. Der Wechsel hat ihnen keine Schwierigkeiten gemacht. So nun berichte Du umgehend. Wie habt ihr die Reise überstanden, wie Dein Jüngster. Ich habe viel an Dich gedacht. Wann sehen wir uns wieder? Meine Schwägerin lässt Dich auch herzlich grüßen. Viele herzliche Grüße von uns allen. Deine Hildegard.                                                                                                                                                                                                    Die Briefe meines Vaters
03 ( Firmenbogen Din A 5) Danzig, den 12.3.45. Mein liebes gutes Muschchen! Heute erhielt ich Deinen Brief vom 21. +25. 2. In aller Eile will ich Dir das Neueste mitteilen. Seit Freitag 9.3. haben wir dauernd Fliegerangriffe, Bomber + Tiefflieger. In unsere Gegend sind mehrere Häuser im Vorst. Graben Hundegasse, Langgasse Hopfengasse zerstört und ausgebrannt. Dann liegt Zoppot unter Artelleriebeschuss. Wir sollen in Langfuhr Wehrmacht aufnehmen, als Einquartierung. Wenn die Russen uns aus Lgfr. Vertreiben sollten, dann wollen wir alle mit allem, was wir mitnehmen können zum Zahnarzt Dr. Scherring Langfuhr, Ostseestraße 4 ziehen. Es ist ein Freund von Dr. Hein. Wenn wir auch dort räumen müssen, dann hoffen Dr. Hein + ich im Befehlsbunker des Gaueinsatzstabes im Bunker der Danziger Werft unterkommen. Weuns das gelingt, hoffen wir im letzten Moment von dort per Schiff abtransportiert zu werden, d.h. wenn uns inzwischen nicht ein Stück Eisen um den Kopf gepflogen ist. Die Gauwirtschaftskammer errichtet uns eine Ausweichstelle im Reich. Die Adresse gebe ich noch auf, damit Du dort evtl. Nachfragen halten kannst. Wir wollen noch versuchen, Fr. Dr. Hein per Flugzeug oder Schiff auf den Weg zu bringen. Da sie nicht weiß wohin, soll sie zunächst nach Stadthagen zu Euch kommen. Versuche sie unterzubringen. Denn meine Möglichkeiten, wegzukommen werden größtenteils von Dr. Hein abhängen. Wenn er herauskommen sollte ohne mich, dann kann man wohl annehmen, daß er mich im Stich gelassen hat. Daß ich Freitag früh bei Willy Löschmann  im U - Boot - Stützpunkt gewesen bin, schrieb ich Dir schon. Willy ist aber nicht zuverlässig. Frau Dr. Hein fährt wie ich soeben höre morgen mit dem Dampfer.          Besten Gruß Dein Erich. 04 Erich Georg Schulz. Danzig, den 28.3.45. Vertraulich Mein liebes gutes Muschchen! Diesen Brief will ich anderen Flüchtlingen zur Weiterbeförderung mitgeben. Ich bin am Sonntag über Plehendorf-Hela geflüchtet und befinde mich z. Zt. auf dem Dampfer Potsdam auf der Fahrt nach Kopenhagen. Von dort will ich zunächst mit Skwarra + Rieck zu Erich Johannsen in Koga bei Kopenhagen Kobenhavens weg 20 fahren um erst mal aus dem Flüchtlingsbetrieb heraus zu kommen. Auf dem Dampfer befinden sich ungefähr 10 - 11 000 Flüchtlinge. Du kannst Dir natürlich den Betrieb vorstellen. In Dzg sah es in den letzten Tagen schlimm aus. Als wir am Sonntag  abend aus Pehlendorf abfuhren, brannte Dzg, Neufahrwasser, Gotenhaven sehr stark. Hein ist am Freitag um 18 Uhr aus Dzg abgefahren nach Hela, hat dort auf der Saar übernachtet uns ist am nächsten Tage mit den anderen Herren der Kammer und mit Herrn Arnolds mit dem U-Boot weitergefahren. Er wird inzwischen bei Euch angekommen sein. Um mich hat er sich nicht gekümmert. Um 12 Uhr war er noch bei mir um seine Lebensmittelkarte abzuholen. Laut Mitteilung von Herrn Appel wurde ihm um 14.15 mitgeteilt, daß sie um 18 Uhr nach Hela abfahren. Trotzdem hat er es nicht für nötig gefunden, mir das wenigstens mitzuteilen.. Für die Ausreisegenehmigung des Reichsverteidigungskommissars hat er auch nicht gesorgt. Der Antrag war gestellt, aber da das Geburtsdatum fehlte, wurde sie nicht unterschrieben. Ich habe sie mir dann von Huth selbst besorgen müssen. Hein hatte mit uns für Sonnabend  9 Uhr eine Besprechung bei Ohms vereinbart. Da uns bei der Kammer gesagt wurde, daß er zugegen sei, haben wir alle bis 11 Uhr auf ihn gewartet und wertvolle Zeit verloren. Dann ging ich zur Kammer und hörte dort, daß er mit den anderen Herrn getürmt  sei. Es war nur Appel dort, der uns versprach, die Ausreisegenehmigung  zu besorgen. Aber auch der türmte in der Nacht von Sonnabend zu Sonntag, ohne uns die Genehmigung zu besorgen oder sich um uns zu kümmern. Wir fuhren dann am Sonntag Mittag mit meinem Lieferwagen und Gepäck nach Plehendorf., wo noch Woermann und Hut waren. Dort besorgten wir uns die Abreisegenehmigung. Die Herren von der Kammer, die bisher die große Schnauze riskiert hatten, haben uns also restlos in Stich gelassen. Die meisten Danziger Kaufleute, die für die Abreise vorgesehen waren, sind dadurch nicht mehr herausgekommen. Hauptsächlich nur die, die ich mit meinem Lieferwagen nach Plehendorf mitgenommen habe. Sage Hein vorläufig noch nichts von der ganzen Schweinerei, da ich ihn eventl. noch brauche. Ich werde ihn gelegentlich sagen, was ich von seiner Freundschaft halte. In Hela mußten wir eine Nacht draußen schlafen. Aber es ging noch ganz gut. Schlimmer sind die Zustände auf dem Dampfer. Seit gestern Mittag liegt der Dampfer auf See in der Nähe der schwedischen Küste vor Anker, da er wegen des großen Nebels nicht weiter kann. Es ist jetzt 11.15. Über Wasser halten uns 14 Fl. Cognac, die Skwarra mitgenommen hat.  Wenn der Brief ankommt, weißt Du, daß wir gut in Kopenhagen gelandet sind.  Ich will natürlich versuchen, sofort zu telegrafieren. Besten Gruß Euch allen, Erich.  Um 15.30 fahren wir weiter, da der Nebel sich verzogen hat. Wahrscheinlich fahre ich von Kopenhagen nach Schwerin zur Gauwirtschaftskammer Dzg, um mir Bescheinigungen und Reiseerlaubnis zur Fahrt nach Tittmoning (  bayr. Stadt an der Salzach, Bezirkamt  Laufen, Kreis Oberbayern) zu beschaffen. Wegen der Abwicklung der Firmen Dzg + Thorn. Wie ich soeben im Wehrmachtsbericht gehört habe, hat sich die Front im Westen wesentlich geändert. Laßt Euch in Euren Dispositionen durch mich keinesfalls beeinflussen.  Ich komme, sobald ich das nötigste erledigt habe zu Euch. Falls ihr vorher weiter zeihen solltet, so gebt die neue Adresse Werner auf u. unseren andern Bekannten. 29.. 3.45. Gestern um 23.30 sind wir vor Kopenhagen vor Anker gegangen und mußten bis heute 9.30 Uhr warten. Jetzt fahren wir in den Hafen ein. Euch allen alles Gute. Ich gebe den Brief jetzt einem Bekannten zur Weiterbeförderung ab. Besten Gruß an alle Erich.
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(H-E.S. 5.12.2010)
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