Du musst Dein Leben ändern.
(5.8.11.)
Dies ist der Titel eines Buches von Sloterdijk, das ich mir zu erarbeiten versuche.
Es geht um die Interpretation eines Gedichtes von Rilke, das sich an einem Torso des Gottes
Apoll entzündet hat. Das entsprechendes Kapitel endet auf der Seite 51 mit dem Appell: „Ergreife
die Gelegenheit, mit einem Gott zu trainieren.“
Es geht Sloterdijk offenbar darum, dass wir Menschen uns persönlich vertikal, also nach oben
weiterentwickeln sollen. Das sei immer schon das Anliegen des Menschen. Ich hoffe ich
interpretiere Sloterdijk nicht zu subjektiv, wenn ich das Zitat auf Seite 46 aufgreife: “Er hat einen
Stein entdeckt, der den Torso << Religion >> ….. verkörpert; ein Gebilde, das einen Anruf von
oben abstrahlt, …“.
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Ein fundamentaler Wesenszug des Menschen ist seine „Religiosität.“
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Eine Religion, die sich auf eine anonyme Masse ausgebreitet hat, verliert ihre
Lebendigkeit, wird zu einem Torso der Alltäglichkeit, nur noch Zeuge aus einer
vergangenen Zeit.
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Versenkt man sich in solch einen Torso, so wird aus dem toten Gegenstand ein neuer Apell,
der einen verlebendigenden Anspruch an den Betrachter stellt, sein Leben zu verändern, -
vertikal zu verändern.
Solch ein Vorhaben beobachtet Sloterdijk seit Plato. Nur die Ergebnisse werden immer wieder
zum Allgemeinbesitz, der alle Lebendigkeit erstickt.
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Um zu einer neuen Lebensqualität zu kommen, werden mehr oder weniger erfolgreiche
Bemühungen unternommen. Seit 2000 Jahren! Sloterdijks Buch beschreibt ein Drama von
Spiritualität und Geist dieser „Trainingseinheiten“ (Schulen) in vielen Akten. Von Platon bis
Heidegger und Nietzsche bis Sokrates
Es geht um den zeitlosen Versuch des Menschen, sich individuell zu emanzipieren von Tradition
und Ideologie, vom Zeitgeist und vom Selbstdarstellungsdrang. Das Ich ist immer ein werdendes.
Sloterdijk: Das ist „Anthropotechnik“.
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Das sehe ich auch in unserer Zeit. Wer kennt nicht die Schlagworte, hinter denen ernsthafte aber
letztendlich auch modische Bemühungen stehen, eine „höhere“ Lebensqualität zu erlangen.
Idealismus
Nationalismus
Sozialismus
Demokratie
Fortschritt
Moderne
Evolution
Der mündige Christ (Heinrich Giesen)
Nachfolge (Jesus von Nazareth/ Bonhoeffer)
Selbstverwirklichung
Gebet
Meditation
Be your own chairman
Mentale Vertiefung
Mentale Entfaltung
Alle dies „Bewegungen“ gehen vom Geistwesen „Mensch“ aus. Und wie wir es uns von der
Biologie her erklären, ist es eine Funktion unserer Neuronen. Eine Evolution geistiger Art.
Eine Einwirkung von außen, außer über unsere Sinne, kommt für den gebildeten Menschen nicht
in Betracht.
Der mentalen Bewegung des Menschen sind von Natur aus keine Grenzen gesetzt. Die Phantasie
des Menschen kennt sogar keine Moral. Diese muss erst im Laufe der Lebensentfaltung erlernt
werden: Durch Erfahrung, sei es dass die Verwundungen der Natur sie lehren, sei es, dass die
Gemeinschaft = Familie - Gruppe - Gesellschaft – Religion - das Staatswesen auf das
Individuum es bewirken.
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Die notwendige Unterscheidung von Gut und Böse wird unterschiedlichen Autoritäten
zugeschrieben. Dem Ich, dem Du, einer Gottheit, Geistern, Dämonen oder psychischen
Krankheiten. Das ist eine Frage der jeweiligen Gesellschaft oder Kultur. Sie legt die Maßstäbe
fest, entwickelt sie weiter oder verändert sie. Das ist im Sinne Sloterdijks auch Anthropotechnik".
Der Appell zum Wandel schließt aus, eine Ideologie zu entwerfen und diese zu installieren. Dazu
gehören der Kommunismus u. Ä, sowie jeglicher Fundamentalismus, wie er uns im offiziellen
Islam, im Katholizismus oder den Erweckungsbewegungen begegnet. Dazu möchte ich auch den
Konfessionalismus rechnen.
- Wie sehr der Konfessionalismus der humanistischen Entwicklung entgegensteht, können wir an
den ökumenischen Gesprächen, den konfessionellen Auseinandersetzungen aller etablierten
Religionen beobachten: es ist Gelehrtengezänk, ja Machtpolitik, das wie auch schon bei der
Ausbildung des Christlichen Glaubensbekenntnisses dazu diente, sich von einander ab zu grenzen
und ausgegrenzte Mitmenschen zu diskriminieren, zu bekämpfen bis hin zum Mord! Und dem
einzelnen Menschen verwehrt es, sich selbst weiter zu entwickeln oder persönliche
Gemeinschaften zu pflegen.
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Allen Religionen ist aber ein bisher den Menschen lähmendes Phänomen zu Eigen. Es ist die
Transzendenz der Gottheit, der man sich wie ein Kleinkind zuwendet: Papa hilf! Das Unmögliche,
das Widernatürliche soll sich ereignen, durch das Eingreifen einer Gottheit, seiner Engel oder
sonstiger Geister oder Dämonen..
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Je weniger diese Wünsche und Gebete abwegig sind, ereignen sie sich auch tatsächlich,
aber nur fifty zu fifty, gemäß dem gelegentliche mögliche Zufall. Menschliches Handeln
funkt meist dazwischen. Individuelle Macht oder Ohnmacht. Begabung oder
Dilettantismus.
Dem „Kranken“ (Nietzsche, P.Sl. S. 64) hilft da auch keine Askese. Oder: Es ist ein Irrweg, sich
selbst zu kasteien oder aufzuopfern, in der Hoffnung, es käme Hilfe von Oben! Da ist keine Hilfe,
die von außen in Bewegung gesetzt werden könnte. Die Hilfe kann nur von unten kommen. Aus
der Tiefe, aus der wir befreit werden wollen – aus der wir uns allein befreien können.
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Da helfen auch nicht die herkömmlichen Mittel wie Gewalt oder Geld nicht weit. Denn bis
in die Gegenwart hat es sich gezeigt: Gewalt zeugt neue Gewalt. Geldspenden sind
kontraproduktiv: an Ihnen verdienen, die alles haben, die das Sagen haben, die die
Hilfsgüter und die Transportmittel haben. Nur der persönliche selbstlose Einsatz,
gewachsene und persönliche Beziehungen gehen an denen vorbei, die wir als
„Kriegsgewinnler“ ausmachen.
Ja, in der menschlichen Entwicklung allein liegt der erfolgreiche - religiöse - Gottesdienst. Die
innere Stimme, der Einfall, die Idee, die wir alleine oder gemeinsam suchen. Sie ist eine
Supermacht, im Guten, wie im Bösen. Sie zu kontrollieren ist Aufgabe von Tradition, sei es
Religion oder Gesellschaftsordnung: Wähle das Gute, das Dir, wie auch deinem Mitmenschen
dient. - Rechne aber nicht damit, dass das Dir im gleichen „Maße“ geschieht -. Es gibt keine
natürliche ausgleichende Gerechtigkeit.
Der selbstlosen Mitmenschlichkeit geht es nicht nur um den Dir nahe stehenden Mitmenschen,
sondern auch um den, der die fremd oder ferne ist.
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Daraus ergeben sich für mich folgende Konsequenzen.:
Das Gebet
Als Formalismus ist es Aberglaube. Es ist aber als eine Herzensregung der erste Schritt in den
Aufbruch!
Ich nehme Anteil am Weltgeschehen. Es ist mir nicht gleichgültig. Ich will es beeinflussen,
vertikal nach meiner Vorstellung zum Besseren und Höheren.
Es gibt nichts Höheres oder Besseres, außer man tut es! Sich selbst eine Lösung einfallen zu
lassen und an ihr arbeiten. Die eigenen Grenzen erkennen oder offene Türen oder Wege zu
finden, liegt in unserer persönlichen Verantwortung. Ein transzendenter Gott wird nicht
eingreifen, weil er nicht ist!
Der Staat.
Jeder Staat hat eine Verfassung und Werte, die er verkörpert.
Ich empfehle eine demokratische soziale Marktwirtschaft. Sie beruht auf dem freien Spiel der
Kräfte im Rahmen von Gesetzen, die mehrheitlich revidierbar sind. Ein partnerschaftliches
Zusammenspiel aller auf gleicher Augenhöhe.
(H-E.S. 24.09.2011)
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